Lernen lernen

„Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.“ Dieses Zitat von dem Fußball-Trainer Sepp Herberger lässt sich auch auf andere Bereiche übertragen: Nach den Prüfungen ist vor den Prüfungen. Liegt eine Prüfung hinter einem, ist das der beste Zeitpunkt über das Lernen für die nächste Prüfung nachzudenken. Und zwar grundlegend.
Lernen ist ein komplexer Vorgang und mitnichten umfassend erforscht. So gibt es zwar die Vorstellung von Lerntypen, die eine Präferenz für unterschiedliche Lernstoffaufnahme haben – visuell, auditiv, haptisch, kognitiv – empirisch ist dies jedoch nicht ausreichend fundiert. Dennoch kann es hilfreich sein, zu wissen, wie man Wissen gut aufnehmen kann, welche Lernstile es gibt und mit welchen Lernstrategien und Lernmethoden man dieses Wissen auch besser behalten kann.
Das Wissen um das (eigene) Lernen lässt sich auch in anderen Kontexten anwenden: Lesetechniken für Forschungsvorhaben, Mind Maps für die Planung eines dienstlichen oder auch privaten Projekts und Karteikartensysteme für das Erlernen einer Sprache, auch für den nächsten Urlaub, um nur einige zu nennen.
Allem übergeordnet ist das eigene Zeitmanagement. Wer prokrastiniert, sollte sich mit Tomaten beschäftigen – als Namensgeber für die Pomodoro-Technik. Dieser Blogpost will auch beim Zeitmanagement helfen, indem hier ein erster Überblick vermittelt und Hinweise auf weiterführende Informationen geliefert werden, wie zum Beispiel in der Bibliothek vorhandene Titel zu diesem Thema. Es muss also zum Glück niemand in Bezug aufs Lernen das Rad neu erfinden.
Es gilt den gesamten Prozess im Blick zu behalten, der sich untergliedern lässt in die Wissensaufnahme, -verarbeitung und -reproduktion.
Wissen aufnehmen
Wissen aufnehmen hat vielfach mit Lesen zu tun, weshalb die Erhöhung der Lesegeschwindigkeit von Vorteil sein kann, sogenanntes Speed Reading. Die Geschwindigkeit im Lesen variiert man am besten, je nachdem wie bekannt oder relevant Textpassagen sind. Daher sollte man auch das Inhaltsverzeichnis und das Register nutzen, um wichtige Abschnitte vorab zu identifizieren.
Mit der SQ3R-Methode kann man sich sehr gut dem Lesestoff nähern, um auf bestimmte Fragen Antworten zu finden und das neue Wissen für sich einzuordnen, wiedergeben zu können und weiterzuverarbeiten. Insgesamt ist die Devise „Selbst denken statt abschreiben“ nützlich, dass sich das Wissen festigen kann, dann was ich selbst verstanden habe, kann ich dann auch besser wiedergeben.
Wenn wir Wissen aufnehmen, sollten wir die Methoden ändern, da das unserem Gehirn hilft. Und hier ist ein Blick auf die Vorstellung von Lerntypen sinnvoll: Kann ich mein Lernen mit Bildern unterstützen? Vielleicht hilft mir die Kombination von Bildern und Ton, wenn ich mir ein Video zum Thema ansehe? In der Bibliothek sind auch immer mal wieder Studierende zu beobachten, die Ihren Lernstoff durchgehen, indem sie auf die eigenen Knochen und Gelenke deuten – also visuell und haptisch lernen.
Wissen verarbeiten
Im Bereich der Wissensverarbeitung spielt die Visualisierung vielfach auch eine Rolle. Mittels Mind Maps lässt sich Wissen anders anordnen und in Beziehung zueinander setzen mit einem selbst gewählten Grad an Komplexität oder Wissensreduktion. Und auch die Loci-Methode bedient sich der Stärke unseres Gehirns, sich Bilder besser einprägen zu können als Texte oder Zahlen: Inhalte werden mit Orten verknüpft. Auf diese Weise lernen Gedächtnissportler ganze Spielkartensätze in ihrer Abfolge auswendig.
Apropos Karten: Karteikarten sind ein klassisches Hilfsmittel, welches es nach wie vor analog, aber inzwischen auch digital gibt. Neben dieser Mnemotechnik gibt es auch elaboriertere wie die Schlüsselwortmethode, bei der ein Schlüsselwort in einem Satz assoziert auf den Lerninhalt verweist: Der Onkel geht wegen seines Tumors zur Onkologie. Der Onkel ist das Schlüsselwort und verknüpft mit Tumor verweist es auf die Onkologie. Bei komplexeren Inhalten kann man dies zur Geschichtenmethode ausbauen oder komplexe Gedächtnispaläste bauen – Sherlock lässt grüßen.
Wissen reproduzieren
Beim Wiederholen von Lernstoff helfen die bereits erwähnten Karteikarten: Was schon gut im Gedächtnis haften geblieben ist, kommt auf einen Stapel, was noch nicht hängengeblieben ist auf einen anderen. Dieses System macht sich die spaced repition zunutze, also beim Lernen Zeitabstände einzurichten. Das kostenlose Karteikartenprogramm Anki verfügt über einen Wiederholungsalgorithmus.
Besser als sein Wissen für sich allein zu wiederholen ist es, dabei ein Gegenüber zu haben und wenn es nur ein Erzählbär ist. Dieser stumme Zuhörer eignet sich dafür, dass die Gedanken nicht im Kopf bleiben, sondern formuliert und ausgesprochen werden müssen. Das ist nicht nur für mündliche Prüfungen gut, sondern auch für schriftliche. Wem es hilft, kann auch beim Lernen von diesen „Gesprächen“ Aufnahmen machen, um entweder Schwächen zu erkennen oder wenn der Lernstoff sitzt, diesen unterwegs oder wenn die Augen bereits müde sind, anzuhören.
Schöner, manchmal einfacher oder auch anregender als allein kann es in einer Gruppe sein, sich gegenseitig das Gelernte abzufragen oder noch besser darüber zu diskutieren. Dafür kommen viele Studierende in die Bibliothek.
Probieren geht über Studieren
Besser als jede Planung des Lernens ist aber das eigentliche Machen.
Bis zur nächsten Prüfungsphase kann es sich aber trotzdem lohnen, sich einen der folgenden Titel zu schnappen:
Survival-Guide für Erstis / Pat Maier, Anna Barney, Geraldine Price. – 2011.
Ausführliche Kapitel zu Lernkompetenz, Stressbewältigung und Zeitmanagement, optimale Nutzung von Vorlesungen und vieles mehr.
Signatur: Lehrbuch Q 181 ME 0529
Wissenschaftliches Arbeiten und Lerntechniken / Christine Stickel-Wolf, Joachim Wolf. – 9. Aufl., 2019
Enthält nützliche Abschnitte zu Lesetechniken, zu Lerngruppen und Studienplanung.
Signatur: Lehrbuch LB 2369 ME 5863, Aufl. 9
Leichter Lernen / Brigitte Reysen-Kostudis. – 2. Aufl., 2010.
Befasst sich in Modulen mit Lernplanung, Konzentration, Wissensaufnahme, -vernetzung uns -speicherung und versteht sich als Kompetenztraining.
Signatur: MonoLS LB 1060 ME 0603, Aufl. 2
Spezielle Lernstrategien für schriftliches und mündliches Physikum liefert:
Lernstrategien . MC-Techniken und Prüfungsrhetorik / Thomas Brockfeld, Vera Lippek, Bringfried Müller. – 6. Aufl. 2015.
Signatur: Lehrbuch W 18.2 ME 0919, Aufl. 6
Und hier noch Informationen für die Verknüpfung von AMBOSS mit dem Karteikartenprogramm Anki:
https://www.amboss.com/de/anki-download
Und beim Lernen gilt, öfter mal den Ort zu wechseln. Hilft dem Gehirn. In diesem Sinne: Wir sehen uns demnächst wieder in der Bibliothek, vielleicht an verschiedenen Arbeitsplätzen?
Gerne hören wir in den Kommentaren von Lerntechniken, die in der Bibliothek, an der MHH und im Bereich der Medizin Anwendung finden.